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Zum Abschluss der Renovierung der Marienburg hat der Hochmeister des Deutschen Ordens die rekonstruierte Statue der Madonna mit dem Kinde in der Außenfassade der Sankt-Marien-Kirche eingeweiht. Die auf das 13. Jahrhundert zurückgehende Marienburg ist die bedeutendste Burganlage des europäischen Mittelalters und größte Backsteinburg der Welt. Gemeinsam mit dem Bischof von Elbing, dem in Allenstein geborenen Jacek Jezierski, zu dessen 1992 gegründetem Bistum die Marienburg heute gehört, zelebrierte der aus Südtirol stammende Hochmeister Bruno Platter die Messe. Anwesend waren neben ranghohen Vertretern der Region der polnische Kulturstaatssekretär Jarosław Sellin (PiS), der aus Heilsberg stammende frühere Marschall und jetzige Vizemarschall des polnischen Senats, Bogdan Borusewicz (PO), der norwegische Botschafter Karsten Klepsvig und der als Spezialist für die Geschichte des Deutschen Ordens ausgewiesene sudetendeutsche Historiker Udo Arnold, die jeweils kurze Reden hielten. Weithin bewegt hat die Anwesenden die Ansprache des Hochmeisters, der sich bei der polnischen Seite für die Pflege des gemeinsamen Kultur- und spirituellen Erbes bedankte, welche das polnische Volk und den Orden gerade in Form der Marienfrömmigkeit verbänden. Hierbei überreichte er der Kirche als symbolträchtiges Geschenk des Ordens einen großen, von einem tschechischen Künstler gestalteten Osterleuchter samt einer Kerze mit dem Zeichen der Ordensritter. Den Abschluss der Wiedererrichtungsliturgien bildete die Segnung der wiedererrichteten Marienstatue, die der Hochmeister in Form einer schlichten Zeremonie vornahm. Hierzu gehörte auch die Enthüllung einer Gedenktafel durch den Hochmeister gemeinsam mit dem Zweiten Vorsitzenden der Mater-Dei-Stiftung, Andrzej Panek, und mit Staatssekretär Jarosław Sellin, der dabei die Worte des Hochmeisters über die Gemeinsamkeit des Marienkultes dankbar aufgriff. Die Gedenktafel selbst beschränkt sich auf wenige Worte und erwähnt lediglich die Zerstörung des Bildwerkes „im Jahre 1945“ und den Wiederaufbau durch die Stiftung mithilfe „vieler gutherziger Menschen“, womit sie sich vor jeder ideologischen Vereinnahmung schützt. Am Akt der Einweihung nahmen auch 20 aus der Bundesrepublik angereiste heimatvertriebene Marienburger teil, denen aus ihrer Kindheit beziehungsweise Jugend noch der Anblick der etwa acht Meter hohen und für ihre farbige Glasmosaikauflage bekannten Figur vertraut war. Das Fehlen dieses Wahrzeichens ihrer Stadt hatten die meisten Marienburger stets als schmerzlich empfunden – auch wenn es über Jahrzehnte hinweg nicht opportun war, dies laut zu äußern. Der polnische Staat hatte die zerstörte Marienburg nach dem Krieg zwar als nationales Denkmal wiederaufgebaut, allerdings die Marienkirche mit der Statue ausgespart – das nur notdürftig befestigte Gebäude sollte dem Vernehmen nach als Mahnmal des Krieges unangetastet bleiben. Diese pazifistische Haltung wurde den Regierenden wohl auch dadurch erleichtert, dass es sich bei der Madonna nicht nur um ein explizit christliches Symbol, sondern um ein Abbild der Patronin des Deutschen Ordens, also gewissermaßen um dessen ideologisches Emblem, handelt, auf das man im Zuge der allgemeinen „Polonisierung“ ostdeutscher Geschichtsstätten gerne verzichtete – besonders, da hier die polnische Volksfrömmigkeit Parallelen zu eigenen Glaubensinhalten erblickt haben könnte. Im Jahre 2007, also zehn Jahre nach der Erklärung der Marienburg zum Unesco-Weltkulturerbe, gründeten polnische und verbliebene deutsche Marienburger um Bernard Jesionowski und Andrzej Panek die „Stiftung Mater Dei“ mit dem Ziel, das Bildnis der „Mutter Gottes“ wiederherzustellen. Den umtriebigen Spendensammlern fielen allerlei Aktionen ein, an denen sich ihre Mitbürger rege beteiligten – zum Beispiel der Verkauf symbolischer „Bauziegel“. Sogar ein eigenes Bier mit dem Namen „Schwarze Kreuzritter“ wurde gebraut, um die benötigen Gelder zusammenzubringen. Weitere Unterstützung kam zudem von polnischen und von im Lande ansässigen deutschen Unternehmen. Bemerkenswerterweise wurde von vorherein auch der Deutsche Orden in das Vorhaben einbezogen, denn es stand für die Marienburger Idealisten außer Frage, dass dessen Hochmeister die Einweihung ihrer Statue übernehmen sollte. Maßgeblichen Aufwind bekam das Projekt, als die EU dem polnischen Kulturministerium 2014 Fördergelder in Höhe von knapp sechs Millionen Euro unter anderem für den Wiederaufbau der Marienkirche zur Verfügung stellte, von denen letztlich 4,3 Millionen in dieses Projekt flossen. Auch das Königreich Norwegen beteiligte sich großzügig mit Mitteln aus dem sogenannten Norwegischen Fonds, zu dem im Rahmen der Europäischen Freihandels-Assoziation auch zwei weitere Efta-Mitglieder im mit der EU assoziierten sogenannten Europäischen Wirtschaftsraum, Island und Liechtenstein, beitrugen. All dies zusammen erlaubte letztlich mit einem Zuschuss des polnischen Staates die Renovierung der gesamten Kirche. Für die Wiederherstellung der Madonna standen den polnischen Restauratoren von den deutschen Denkmalschutzbehörden hergestellte Abgüsse und Farbfotografien sowie einzelne aus dem Schutt gesicherte Fragmente des Mosaiks als Grundlage zur Verfügung. Bei der Untersuchung ergab sich, dass die Madonna rund einen halben Meter kleiner war, als man bislang angenommen hatte – was in der Rekonstruktion aber immer noch ein Gewicht von 16 Tonnen ausmachte. Auch die Gestaltung der Mosaikauflage erwies sich als aufwendig, musste man doch einen in Danzig nicht in der gewünschten Farbgebung herstellbaren Teil der Tessera (Mosaiksteine) aus Venedig beschaffen – genau wie dies vermutlich einst die Ordenskünstler getan hatten. In fast zwei Jahren Bauzeit wurden die Gewölbe
sowohl der Hauptkirche als auch der darunterliegenden Sankt-Annen-Kapelle mit
den Gräbern der Hochmeister sowie das Glöcknerhaus soweit als möglich in ihrer
alten Form wiederhergestellt, wobei sogar die noch erhaltenen gotischen
Schlusssteine einbezogen werden konnten. Andererseits machte man die
Zerstörungen des Krieges bewusst erkennbar, indem alte und erneuerte
Bestandteile klar voneinander unterscheidbar sind. Mit der Wiederherstellung
ihrer Kirche hat die Ordensburg gewissermaßen ihr geistliches Zentrum
zurückerhalten. Alle daran Beteiligten haben der Stadt Marienburg und dem alten
Ordensland einen Teil seiner Identität zurückgegeben und vielen Menschen ein
Stück inneren Friedens geschaffen.
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