|
|
Der Lastenausgleich Die Rückforderungen von Lastenausgleichszahlungen durch die deutschen Ausgleichsämter haben ein schon fast vergessenes Stück Geschichte der Nachkriegszeit wieder ins Blickfeld gerückt. Dazu hat auch die Tatsache beigetragen, daß Anträge auf Lastenausgleich immerhin noch bis zum 31. Dezember 1995 gestellt werden konnten, seitdem aber nicht mehr möglich sind. Der Lastenausgleich war eine eindrucksvolle Hilfsaktion, ein Entschädigungswerk im westlichen Teil Deutschlands, das nach Art und Umfang als einzigartig gilt. Sein Ziel: den Menschen, die durch den Zweiten Weltkrieg Hab und Gut verloren hatten, wirtschaftlich wieder auf die Beine zu helfen, ihnen die wirtschaftliche Eingliederung zu erleichtern. Der Lastenausgleich galt den Heimatvertriebenen, den Flüchtlingen und den Sachgeschädigten. Er sollte deren Kriegs- und Kriegsfolgelasten von jenen mittragen lassen, die nichts oder nur einen Teil ihres Eigentums verloren hatten. Sie mußten daher für den Lastenausgleich der Geschädigten aufkommen. Zahlungsverpflichtet waren die Eigentümer von Grundstücken, Häusern und sonstigem Vermögen, aber auch Schuldner, denen die Währungsreform von 1948 die Schuldensumme bis auf einen kleinen Teil zusammengestrichen hatte. Ihnen wurde eine Hypotheken- und Kreditgewinnabgabe abverlangt, den übrigen eine Vermögensabgabe. Alles zusammen ergab die Lastenausgleichsabgabe. Allerdings fiel das Aufkommen aus den Währungsreformgewinnen der Schuldner nicht sonderlich ins Gewicht. Entscheidend waren die Mittel aus der Vermögensabgabe. Gesammelt wurden die Abgaben im Ausgleichsfonds. Allerdings erhielten die Geschädigten nur für den Verlust kleiner Vermögen vollen Ersatz, nämlich dann, wenn der nach dem Gesetz berechnete Vermögenswert unter 5000 Reichsmark oder Ostmark lag. Betrug er 10.000 Mark, gab es nur rund 80 Prozent davon, bei 60.000 Mark nur 33, bei 100.000 Mark nur 25, bei 1 Million Mark nur 8 bis 9 Prozent, darüber nur bis 6,5 Prozent. Insgesamt enthält das Gesetz dreißig solcher degressiver Entschädigungsstufen. Grundlage der Berechnung war bei Haus-, Betriebs-, Landwirtschafts-, Forst- und sonstigem Grundvermögen der Einheitswert von 1935. Üppig also ist diese Entschädigung nicht ausgefallen. Entschädigt wurden darüber hinaus aber ebenfalls begrenzt - die Verluste an Forderungen (Sparguthaben) und Beteiligungen, an Hausrat und an Gegenständen der Berufsausübung. Der Wert des Hausrats wurde anhand des früheren Einkommens und Vermögens geschätzt, der Schaden aus dessen Verlust in drei pauschale Stufen eingruppiert. Ein großer Posten im Lastenausgleich waren und sind vor allem die Kriegsschadenrenten. Sie wurden (und werden noch immer) an Alte und Erwerbsunfähige gezahlt, die ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage verloren haben. Diese Renten an derzeit noch 59.551 Personen sind mit der Zeit zum weitaus größten Teil des gesamten Lastenausgleichs geworden. Der Stichtag für die Berechnung der Lastenausgleichsabgabe ist der Tag der Währungsreform gewesen (21. Juni 1948). Abzugeben war die Hälfte des zu diesem Tag festgestellten Vermögenswertes. Doch ist diese Vermögensabgabe auf dreißig Jahre (bis 1979) gestreckt worden, zahlbar in jeweils vierteljährlichen Raten. Das hat es in den meisten Fällen ermöglicht, die Raten aus Vermögenserträgen zu bestreiten. Die Vermögenssubstanz wurde im Regelfall nicht angegriffen, zumal die Abgabe dem mit der Zeit steigenden Vermögenswert nicht angepaßt wurde. Insofern kann von einer tatsächlichen Umverteilung durch den Lastenausgleich kaum die Rede sein. Fälle wie jener der verwitweten und verarmten Hausbesitzerin in Berlin, die auf ihr Haus einen Hypothekarkredit aufnehmen mußte, um die Vermögensabgabe zahlen zu können, die den Kredit dann aber nicht bedienen konnte, das Haus verkaufen und aus dem Erlös die Abgabe zahlen mußte, werden im Bundesausgleichsamt als seltene Einzelfälle bezeichnet. Die Abgaben der Nichtgeschädigten und Währungsreformgewinner haben allerdings für die Lastenausgleichszahlungen nicht ausgereicht. Sie mußten auch mit Kreditaufnahmen und staatlichen Mitteln gespeist werden. Mit diesen Geldern sind rund 50 Prozent des Lastenausgleichs finanziert worden (siehe Tabelle). Insgesamt haben die einst 598 (heute 103) Ausgleichsämter und 11 Landesämter mit ihren einst 25.000 (heute 2300) Beschäftigten rund 60 Millionen Anträge bearbeitet, darunter 8,6 Millionen auf Schadensfeststellung, 15 Millionen auf Hausratsentschädigung, knapp 7 Millionen auf Kriegsschadenrente und über 3 Millionen Anträge auf Darlehen. Allein an sogenannten Kriegssachschäden (überwiegend Bombenschäden) sind von 2,1 Millionen gestellten Anträgen 1,4 Millionen positiv entschieden worden. Aber die Arbeit der Ausgleichsämter ist noch nicht beendet. 128.000 Feststellungsanträge sind noch zu erledigen, ebenso 10.385 Anträge auf Hausratsentschädigung. Das Bundesausgleichsamt rechnet mit einer Bearbeitungsdauer von fünf bis sechs Jahren. Vom 1. September 1949 bis. zum 31. Dezember 1995 haben die Ämter (einschließlich der Soforthilfe) insgesamt fast 140 Milliarden DM an Lastenausgleich in seinen verschiedenen Formen ausgezahlt. Mit den noch offenen Fällen werden es voraussichtlich 150 Milliarden DM werden. Die Gewährung und Annahme von Lastenausgleichszahlungen beeinträchtigt nicht die Eigentumsrechte der Empfänger, Das ist in der Präambel des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) von 1952 festgelegt. Wer also Lastenausgleich bekommen hat, hat damit seine Rechte am entschädigten Eigentum nicht verloren, muß aber, wenn er entschädigtes Eigentum zurückerhält (wie seit 1990 im einstigen DDR-Gebiet), den betreffenden Teil des Lastenausgleichs zurückzahlen (F.A.Z. vom 4. Januar). Wer seinerzeit Lastenausgleichsabgaben hat leisten müssen, bekommt davon allerdings nichts zurück, denn die Abgabe hatte Steuercharakter. Bei der deutschen Wiedervereinigung von 1990 war abermals die Aufgabe zu lösen, die krassen wirtschaftlichen Unterschiede zwischen zwei Bevölkerungsgruppen zumindest zu mildern: die zwischen den Menschen in den alten und denen in den neuen Bundesländern. Die Westdeutschen hatten es in der freiheitlichen Demokratie und Marktwirtschaft zu einigem Wohlstand gebracht, die Ostdeutschen haben nach Nazi-Diktatur und Krieg auch noch 45 Jahre lang Leid und Elend des Kommunismus durchstehen müssen. Vorschläge, sie ebenfalls noch mit einem Lastenausgleich zu bedenken, haben sich - abgesehen von der Pauschale von 4000 DM für Vertriebene nach dem Vertriebenen-Zuwendungsgesetz - nicht durchgesetzt. Zustande gekommen ist dagegen eine Variante: die Wiedervereinigungssteuer, genannt Solidaritätszuschlag.
* Einnahmen des Ausgleichsfonds (1949 bis 1952:
Soforthilfefonds). Zahlen von 1995 vorläufig Die Leistungen für den Lastenausgleich
* Ausgaben des Ausgleichsfonds (1949 bis 1952:
Soforthilfefonds) Zahlen von 1995 vorläufig.
_______________________________________________________________
Diese Netzseiten sind optimiert
für 1024x768 oder höher und 24 Bit Farbtiefe sowie MS-Internet Explorer 11.x oder höher. |
|