Landsleute aus allen Kreisen waren angereist: Einmarsch der Fahnen |
»Ostpreußen lebt, weil Sie es wollen«
Rede des LO-Sprechers Stephan Grigat anlässlich des 18.
Landestreffens Mecklenburg-Vorpommern in Neubrandenburg
Ostpreußen lebt! Davon geben Sie hier Zeugnis! Ostpreußen lebt, weil Sie es wollen! Ostpreußen lebt, solange es noch wenigstens einen bekennenden Ostpreußen in Gottes weiter Welt gibt!
Liebe Ostpreußen, verehrte Gäste und Freunde Ostpreußens!
Ich überbringe Ihnen die Grüße und guten Wünsche der übrigen 248.000 Angehörigen der Landsmannschaft Ostpreußen, die heute nicht hier sein können, gebürtige Ostpreußen deren Kinder und Enkel sowie auf andere Weise mit Ostpreußen verbundene Menschen. Ich freue mich über den überwältigen Andrang heute, der belegt, dass die Treue zu Ostpreußen ungebrochen ist, bedanke mich für Ihr Kommen und gratuliere der Landesgruppe Mecklenburg-Vorpommern und namentlich ihrem Landesvorsitzenden Manfred Schukat!
Meine Damen und Herren, es sind heute noch einige wenige von ihnen unter uns und es ist mir ein Anliegen, Sie hier besonders zu nennen: Ich begrüße herzlich die Angehörigen der früheren Deutschen Wehrmacht. Deutsche Soldaten haben unter Einsatz ihres Lebens die Flucht hunderttausender Ostpreußen vor der roten Armee ermöglicht und dadurch deren Leben gerettet, aber dafür tausendfach ihr eigenes Leben hingegeben. Deutschland schuldet Ihnen Dank, Ostpreußen steht in Ihrer Schuld. Sie sind uns willkommen!
Wir treffen uns heute im 68. Jahr nach Flucht und Vertreibung. Wir haben uns hier zusammengefunden, um unser Bekenntnis zu Ostpreußen, unserer Heimat, der Heimat der Eltern und Großeltern zu erneuern. Wir tun dies im Bewusstsein unserer Verantwortung, unserer Verantwortung vor Gott und den Menschen, insbesondere unserer Vorfahren und Nachkommen.
Wir erinnern uns und die Welt daran, dass die Ostpreußen, die Älteren unter uns selbst, von den jüngeren die Eltern und Großeltern, 1945 und in den folgenden Jahren gegen ihren Willen mit Gewalt oder Androhung von Gewalt und unter teils grausamsten Umständen zum Verlassen der angestammten Heimat gezwungen, also vertrieben wurden, so wie ihre Schicksalsgefährten aus den übrigen Ostprovinzen des Reiches auch.
Diese Vertreibung war dem Grunde und den Umständen nach ein schweres völkermordähnliches Verbrechen. Sie ist der Grund, den wir weder vergessen noch verschweigen dürfen, dafür, dass das es unsere und die übrigen Landsmannschaften gibt. Unrecht hat in der Geschichte oft zu neuem Unrecht geführt, doch schafft früheres Unrecht, auch wenn es noch so groß war, keine rechtliche oder moralische Legitimation für neues Unrecht! Das gilt auch und gerade für die Vertreibung der Deutschen aus den Deutschen Ostprovinzen nach 1945. Und trotzdem werden in Deutschland in Bezug auf die Vertreibung der Ostdeutschen aus den früheren deutschen Ostprovinzen fast durchgängig zwei Thesen vertreten:
Erstens, die Vertreibung sei gewissermaßen die zwingende Folge des von Nazi-Deutschland begonnenen und in Polen und Russland besonders brutal geführten Krieges.
Zweitens, die Opfer unter der ostdeutschen Zivilbevölkerung seien so etwas wie eine gerechte Sühne für von Deutschen oder sogar ausdrücklich im Namen des Deutschen Reichs begangene Verbrechen.
Beide Standpunkte sind natürlich Unsinn und halten einer näheren Betrachtung nicht stand. Führten die Alliierten den Krieg nicht mit dem Anspruch, die moralisch bessere Kriegspartei zu sein? Wollten die Alliierten nicht das Recht und die Freiheit in der Welt durchsetzen und auch nach Deutschland tragen? Warum begingen sie dann selbst ein derartig scheußliches Massenverbrechen wie die Vertreibung der Deutschen? War die Vertreibung notwendig für die Kriegsführung, notwendig für die Alliierten, um den Krieg gegen Deutschland zu gewinnen? Die Antwort ist nein. Die Vertreibung fand in aller Regel deutlich nach Abschluss der Kampfhandlungen statt und hatte auf die Kriegsführung und die Kriegsergebnisse keine Auswirkungen. In West- und Mitteldeutschland kamen keine Vertreibungen oder mit den an den Ostdeutschen verübten vergleichbaren Verbrechen vor. Dass die Vertreibung schon vor 70 Jahren dem Kriegsvölkerrecht, namentlich der Haager Landkriegsordnung widersprach, ist bekannt. Es wäre also – man ist versucht zu sagen natürlich – möglich gewesen, die Ostdeutschen nicht zu vertreiben. Die Vertreibung der Ostdeutschen war ein politisches Mittel Stalins zur Durchsetzung seiner Machtansprüche in Europa, was seinem innerrussischen Politikstil aus den 20er und 30er Jahren mit Millionen russischen Opfern entsprach und diesen fortsetzte.
Bleibt die Frage nach Vertreibung und Gerechtigkeit. Diese Fragestellung ist an sich bereits abwegig. Wir sind uns heute einig, dass Vertreibung immer ein Verbrechen ist. Das war 1945 offenkundig nicht der Fall – siehe das Potsdamer Protokoll. Die Deutschen aus dem Osten des Deutschen Reichs erlitten in vielfach größerem Maße Tod, Vergewaltigung, Raub und Verschleppung, als ihre Landsleute in Mittel- und Westdeutschland, der heutigen Bundesrepublik Deutschland. Trotzdem liegt auf der Hand, dass die Ostdeutschen in keiner Weise mehr Schuld am Nazi-Unrecht waren als die West- und Mitteldeutschen, die Ostpreußen nicht mehr als die Mecklenburger und die Gumbinner nicht mehr als die Neubrandenburger.
Krieg, Flucht und Vertreibung liegen nun fast sieben Jahrzehnte zurück. Sie sind – zunächst langsam und unmerklich, aber doch unaufhaltsam – Geschichte geworden. Erlebte Geschichte von noch vielen, die unter uns sind und leben. Geschichte dennoch. Geschichte, die unser Dasein geprägt hat und nachwirkt. Aber dennoch Geschichte.
Von den Tätern der damals wechselseitig begangenen Verbrechen lebt fast niemand mehr. Schuld ist immer individuell. Sie ist mit den Tätern gestorben. Auch sie ist Geschichte geworden. Die Vergangenheit bleibt uns Mahnung und Auftrag, es anders, besser zu machen.
Die vertriebenen und geflüchteten Ostpreußen und ihre Nachkommen tragen keinen Unfrieden in die Welt und keine Unruhe in ihre Heimat. Die Mitglieder der Landsmannschaft Ostpreußen kommen nach Ostpreußen nicht, um etwas zu fordern, sondern um etwas zu geben, um gemeinsam mit den Menschen vor Ort zum Wohle des Landes, seiner Kultur und seiner Menschen zu gestalten und dafür ihr Wissen und ihre Erinnerung und ihre sonstigen Möglichkeiten einzusetzen.
Zukunft braucht Herkunft. Kaum einer hier ist in seiner Biografie ohne Ostpreußen denkbar. Ein Baum ohne Wurzeln kann nicht leben. Ein Mensch auch nicht. Selbst ein Land kann es nicht. Wir können in Ostpreußen sehen, wie das Land zu seinen Wurzeln findet, wie seine heutigen Bewohner, bereits von der prägenden Kraft Ostpreußens ergriffen, nach seiner Vergangenheit suchen.
Ostpreußen ist vielschichtig. Ostpreußen hat sich von jeher durch das Zusammenschmelzen seiner verschiedenen Bevölkerungsgruppen definiert, prußische Ureinwohner, deutsche, holländische, hugenottische, salzburgische und masowische Zuwanderer, die zu verschiedenen Zeiten aus verschiedenen Gründen in Einwanderungswellen nach Ostpreußen kamen. Das Ergebnis dieser jahrhundertelangen Entwicklung ist der Ostpreuße, der – wie die Volksabstimmung vom 20. Juli 1920 belegt – sehr deutsch dachte und fühlte, ganz egal, wer ihn gerade zu vereinnahmen versuchte.
Die Landsmannschaft Ostpreußen mit ihren Kreisgemeinschaften ist der Sachwalter dieses Ostpreußen und seines Landes. Dies sehen inzwischen auch die politischen Vertreter der jetzt in Ostpreußen lebenden Bevölkerungsgruppen so. Beleg dafür sind die engen Beziehungen zwischen der Landsmannschaft Ostpreußen und ihren Kreisgemeinschaften einerseits und polnischen und inzwischen auch russischen Kommunal- und Landespolitikern andererseits. Ein gutes Beispiel ist der Besuch von Jaroslav Sloma, Vizemarschall der Wojewodschaft Ermland und Masuren (also etwa ein Landes-Vize-Ministerpräsident), bei der Landsmannschaft Ostpreußen. Ich konnte ihn in unserer Bundesgeschäftsstelle in Hamburg begrüßen, und dort gab er der Preußischen Allgemeinen Zeitung ein Interview.
Die heute in Ostpreußen lebenden Menschen haben in ihrer großen Mehrheit schon lange verstanden, dass sich unsere Tätigkeit gegen niemanden richtet, sondern auf Ausgleich, Versöhnung und Zusammenarbeit auf dem Boden von Wahrheit und Gerechtigkeit gerichtet ist.
Wir wollen die Geschichte und Kultur Ostpreußens bewahren und entwickeln, im Sinne unserer Vorfahren und Nachkommen und auch im Sinne seiner heutigen Bewohner. Wir werden auf diesem Wege weitergehen und wünschen uns, dass möglichst viele uns dabei begleiten.
Die nächste Etappe auf diesem Weg ist unser Deutschlandtreffen der Ostpreußen in Kassel vom 16. bis 18. Mai 2014. Ich möchte Sie dort alle wiedersehen und freue mich darauf und auf ein Wiedersehen mit Ihnen dort.“ - (Ein Bericht über die Veranstaltung folgt).
Aufrechter Preuße und Verfechter
der Freiheit
Manfred Schukat erhält Ottomar-Schreiber-Plakette für
außergewöhnliche Leistungen
Manfred Schukat wurde am 25. Juli 1943 als zweites Kind des Landwirtes Franz Schukat und seiner Ehefrau Ida geb. Schmeling in Riedwiese/Kreis Gumbinnen geboren. Im Oktober 1944 flüchtete die Familie vor der heranrückenden Roten Armee. Es folgten harte und entbehrungsreiche Jahre. Von 1945 bis 1947 war die Familie in Jeseritz, Kreis Stolp / Hinterpommern, in einem polnischen Lager interniert. Im Mai 1947 fanden die Schukats in Cainsdorf bei Zwickau in Sachsen eine neue Bleibe. Hier besuchte Manfred Schukat die Schule und machte anschließend eine Mechaniker-Lehre. Einer Indoktrinierung durch die Kommunisten verweigerte er sich konsequent. So lehnte er den Dienst als Pionier ab, trat der FDJ nicht bei und versagte sich auch der Jugendweihe. Die Folgen ließen nicht lange auf sich warten. 1962 wurde der junge Ostpreuße für vier Monate aus politischen Gründen in Plauen, Zwickau und Chemnitz inhaftiert. Seine Rehabilitierung erfolgte erst nach der Wende. Ungeachtet aller Schwierigkeiten ging Manfred Schukat nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis seinen Weg weiter. Aus innerer Überzeugung und um sich dem allgegenwärtigen Einfluss der SED zu entziehen, wandte er sich der kirchlichen Arbeit zu.
Von 1963 bis 1967 absolvierte Manfred Schukat eine kirchliche Ausbildung im Diakonenhaus Moritzburg bei Dresden und arbeitete unter anderem als Religionslehrer im Erzgebirge und als Erzieher in einem kirchlichen Proseminar in Dahme / Mark Brandenburg. 1968 heiratete er seine Frau Emmy, geb. Hoffmann aus Canditten, Kreis Pr. Eylau. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Über ein Jahrzehnt – von 1968 bis 1979 – war Manfred Schukat als Prediger der Landeskirchlichen Gemeinschaft Anklam tätig. Er widmete sich während dieser Zeit neben der Arbeit mit Jugendlichen auch der Betreuung von Alkoholikern und Milieugeschädigten. Seit 1979 ist er als selbstständiger Gewerbetreibender tätig.
1989 leiteten die Menschen in der damaligen DDR mit dem Ruf „Wir sind das Volk“ die lang ersehnte kleine Wiedervereinigung ein. Was wenige Entschlossene und Mutige wie Manfred Schukat unter persönlichen Gefahren in der Bürgerbewegung und im kirchlichen Widerstand über Jahre hinweg vormachten und vorbereiteten, wurde spontan von Zehntausenden aufgenommen und weitergetragen. Manfred Schukat gehörte in der Wendezeit zu den mutigen Frauen und Männern, die in vorderer Linie dafür sorgten, dass nach vierzig Jahren uneingeschränkter Vorherrschaft der SED der kommunistische Machtapparat wie ein Kartenhaus zusammenfiel. So forderte er im November 1989 vor 3.000 Demonstranten auf dem Anklamer Marktplatz das Ende der SED-Vorherrschaft und war wenig später einer der wenigen, die mit staatsanwaltlicher Hilfe in das Stasi-Gebäude in Anklam eindrangen.
Mit der Wende hatten die in Mitteldeutschland lebenden Heimatvertriebenen erstmalig die Möglichkeit, sich uneingeschränkt zu ihrer Heimat zu bekennen. An dem Aufbau landsmannschaftlicher Strukturen in Mecklenburg-Vorpommern war Manfred Schukat maßgeblich beteiligt.
Bereits im März 1991 organisierte er im Stadttheater von Anklam ein erstes Vertriebenentreffen mit über 500 Teilnehmern. Im Dezember des gleichen Jahres gründete er mit unbelasteten und in der DDR nicht parteigebundenen Landsleuten den BdV-Kreisverband Anklam, den er viele Jahre lang leitete. 1992 hob er mit Gleichgesinnten den LO-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern aus der Taufe, dem er seit 2002 vorsteht. Dem Bundesvorstand der LO gehörte er von 1998 bis 2001 an. Am regen landsmannschaftlichen Leben im Landesverband, das unter anderem in den bisher 17 großen Ostpreußentreffen Mecklenburg-Vorpommern mit zuletzt über 2.000 Teilnehmern und an der aktiven Beteiligung des Landesverbandes an den Deutschlandtreffen der Ostpreußen und den Sommerfesten in Ostpreußen seinen Ausdruck findet, hat Manfred Schukat zusammen mit seinem Mitstreiter Friedhelm Schülke maßgeblichen Anteil.
Daneben galt und gilt Schukats Engagement dem Schicksal der heimatverbliebenen Ostpreußen. Regelmäßige Hilfstransporte gehören ebenso zu seinem festen Jahresprogramm wie von ihm organisierte Busfahrten mit mehreren hundert Teilnehmern. Am 24. September 1995 wurde das erste Denkmal für Flüchtlinge und Heimatvertriebene in Mecklenburg-Vorpommern nicht zufällig in Anklam errichtet.
Im September 1999 ehrte die Landsmannschaft Ostpreußen Manfred Schukat mit der Verleihung des Goldenen Ehrenzeichens.
In Würdigung seiner außergewöhnlichen Leistungen und seines überragenden Einsatzes für Ostpreußen und seine Menschen verleiht die Landsmannschaft Ostpreußen Herrn Manfred Schukat die Ottomar-Schreiber-Plakette. - P.W.
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