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Brücken in die Zukunft schlagen Auch über 60 Jahre nach der Vertreibung aus der Heimat sind die Ostpreußen eine große Gemeinschaft, das konnte man bei der Eröffnung des Deutschlandtreffens erfahren. In der Erfurter Messe waren tausende Landsleute zusammengekommen, um sich zu ihrer angestammten Heimat zu bekennen. Der Anteil Ostpreußens an der deutschen und europäischen Geschichte und Kultur muss endlich wieder stärker in das Bewusstsein aller Menschen gerückt werden, darüber waren sich die Teilnehmer des Deutschlandtreffens einig. Wenn auch Kulturarbeit die Heimat nicht ersetzt, so gibt sie aber Zeugnis von ihr. Zeugnis von der Heimat zu geben, darin sieht auch Christian Papendick seine Aufgabe. Der Königsberger, der heute in Hamburg lebt, wurde während der feierlichen Eröffnung des Deutschlandtreffens von der Landsmannschaft Ostpreußen für seinen unermüdlichen Einsatz um das kulturelle Erbe seiner Heimat Ostpreußen mit dem Kulturpreis für Publizistik ausgezeichnet. Dank gilt dem Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, das diese Preisverleihung großzügig unterstützte. In der Laudatio erfuhr man, wie Christian Papendick von einem ostpreußischen Bowke zu einem engagierten Mahner wurde. „Ein Haus kann nicht als Gebrauchsgegenstand verstanden werden, es muss dem Menschen ein Leben lang den wesentlichen Wert vermitteln, der für das Glück des Einzelnen so unersetzbar ist. Sonst veraltet es ebenso rasch wie irgendein Möbel veralten kann und lässt den Menschen ,unbehaust‘“, schrieb Papendick 1974 im Ostpreußenblatt. „Ein Mensch soll sich ein Leben lang wohlfühlen in seinem Haus, seiner Wohnung und so bin ich bemüht, ihm eine zweite Haut zu schaffen, in die er nur hineinschlüpfen muss.“ Rund 100 Einfamilienhäuser, einige Mietwohnungen, aber auch Inneneinrichtungen, gewerbliche Bauvorhaben und Umbauten hat er als Architekt geschaffen. Mit seinem Atriumhaus oder Gartenhofhaus erregte er schon 1967 auf der Ausstellung „electric 2000“ im Hamburger Park „Planten un Blomen“ großes Aufsehen. Bei diesen Häusern, die später in die Serie Haus 2000 eingingen, spielte vor allem das Zusammenspiel von Haus und Garten eine wichtige Rolle. Papendick, der auch Garten- und Landschaftsarchitekt ist, legte großen Wert auf die Gestaltung eines Gartens. Da müssen die Farben der Blüten in den gewünschten Gesamteindruck eingepasst, die Blütezeit der einzelnen Pflanzen beachtet, die zu erwartende Größe bedacht werden. Das Gefühl für Farbe und Form war dem Ostpreußen schon in die Wiege gelegt worden; schließlich wollte er einmal Maler werden und Kunst studieren. Sein Traum vom Künstlerdasein aber ließ sich nicht verwirklichen. Die Zeiten und vor allem der Vater, ein strenger Preuße, waren dagegen. Geblieben sind die Begeisterung für Kunst und Kunstgeschichte, für Geschichte und vor allem das Interesse an seiner Heimat Ostpreußen. Als Christian Papendick 1926 – übrigens als Neffe der Schriftstellerin und LO-Kulturpreisträgerin Gertrud Papendick – in Königsberg geboren wurde, war die Welt dort noch in Ordnung. In der Hardenbergstraße lebte eine Etage über den Papendicks ein Mann, dessen Tun den Jungen besonders faszinierte. Alfred Partikel, Maler und Lehrer an der Kunstakademie, zeigte ihm den Weg zur Malerei, zur Kunst. Aber erst ein Besuch auf der Kurischen Nehrung 1940 öffnete dem Knaben vollends die Augen. Die Begegnung mit den Bildern Ernst Mollenhauers in Nidden, die Begegnung mit dem Maler selbst weckten Begeisterung, die ein Ventil brauchte. Für fünf Mark hatte sich Christian Papendick eine Pappbox von Agfa gekauft und zunächst Fotos gemacht. „Einige waren sogar brauchbar“, sagte er bescheiden. Dann aber sah er die Maler und war nicht mehr zu halten. „Ich nahm mir Pinsel und Farben und setzte mich an den Strand, um zu malen. Einmal kam auch Richard Birnstengel, der seit 1939 ein eigenes Atelier in Nidden hatte, bei mir vorbei, sah mir zu und gab mir einige wohlwollende Ratschläge.“ Noch einige Male fuhr die Familie auf die Kurische Nehrung. Christian malte und war begeistert. Weniger begeistert war der Vater; es gab harte Diskussionen. Wie zum Hohn sollte es aber gerade die Malerei sein, die der Familie half, nach dem Krieg zu überleben. Man hatte sich nach der Flucht in Lüneburg wiedergefunden und Christian machte sich bald daran, Aquarelle und Zeichnungen zu Papier zu bringen, die er dann verkaufte. Er zog mit selbst gebastelten Adventskalendern über Land, um von dem Erlös die Familie zu unterstützen. Als er dann das zerstörte Hamburg sah, dachte er bei sich: Eigentlich kannst du auch Architekt werden. Der Wiederaufbau reizte den jungen Ostpreußen. Nun galt es, die Idee in die Tat umzusetzen. Nach vielen Bemühungen und verschiedenen Anläufen – Papendick musste eine Maurerlehre absolvieren, um die Hochschule besuchen zu können, da er aus Kriegsgründen kein Abitur hatte machen können – wurde er im Herbst 1949 Student der Hochschule für Bildende Künste Hamburg-Lerchenfeld. Sein Diplom legte er 1954 bei Hebebrand ab, einem Schüler von Ernst May. Dieser nahm Papendick dann für anderthalb Jahre in sein Büro für Wiederaufbau bei der Neuen Heimat auf. Ein Glücksfall für den Königsberger, der in May noch heute ein Vorbild sieht. Der Mitarbeit in verschiedenen Architekturbüros folgte schließlich 1960 die Selbstständigkeit – ein erstes größeres Werk war sein eigenes Haus, das er 1958/59 für sich und seine Frau Lisa baute. Geblieben ist die Liebe zur Kunst, auch wenn Papendick heute nicht mehr malt und zeichnet, sondern wieder zu seinen Ursprüngen zurückgefunden hat. Mit der Kamera (allerdings ist es heute keine Pappbox mehr) hält er wunderschöne Bilder fest – Motive von der Insel Bornholm etwa, aber vor allem von seiner Heimat im nördlichen Ostpreußen. Von seinen Reisen, die für ihn auch eine Begegnung mit der Vergangenheit sind, bringt er faszinierende Fotografien mit. „Ich zeige meine Heimat wie sie ist“, so Papendick. „Ich beschönige nichts, ich beweine nichts, ich dokumentiere die Realität. Das ist es, was ich für mein Land tun kann – die Menschen aufmerksam machen.“ Mit seinem Bildband „Die Kurische Nehrung – Landschaft zwischen Traum und Wirklichkeit“, erschienen 1996, hat er die Schönheit und die Ursprünglichkeit dieser unvergleichlichen Landschaft im Norden Ostpreußens festgehalten. Mit seinem zweiten Bildband „Der Norden Ostpreußens – Land zwischen Zerfall und Hoffnung“, erschienen 2009, ist er wie kein Zweiter gegen die Zerstörung der ostpreußischen Kulturdenkmäler angegangen. Mit Ausstellungen seiner eindrucksvollen und erschütternden Fotografien macht er darüber hinaus auf den Verfall und den drohenden endgültigen Verlust wertvoller Bausubstanz aufmerksam. Papendick gelingt es mit seinen fundierten Texten zu den über tausend Fotografien, den Leser zu fesseln und das Interesse am Land Ostpreußen zu wecken. Wer also nur eine Bilderflut erwartet hat, der wird angenehm überrascht. Diese mit so viel Liebe wie Sachverstand unternommene Bilderreise durch das nördliche Ostpreußen zeigt einmal den Zustand der alten Kulturlandschaft, macht aber auch auf die Chancen aufmerksam, die allen Zerstörungen zum Trotz noch in ihr stecken. Das Buch ist ein dringender Appell auch an die heute dort lebenden Menschen, „das Land zu pflegen und darauf zu achten, dass die letzten dieser kulturhistorischen Denkmäler dringender Sicherungs- und Erhaltungsmaßnahmen bedürfen“. Papendick zeigt Möglichkeiten auf, „Brücken zu schlagen zwischen der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft dieses Landes, das mitten in Europa liegt“. PAZ
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